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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2008/50)

Zusammenfassung des Urteils B 2008/50: Verwaltungsgericht

Die Politische Gemeinde St. Gallen hat gegen das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen geklagt, da sie die Bewilligungspflicht für das Sammeln von Unterschriften auf öffentlichem Grund anzweifelte. Das Verwaltungsgericht entschied, dass das Sammeln von Unterschriften durch bis zu drei Einzelpersonen keinen gesteigerten Gemeingebrauch darstellt und somit nicht bewilligungspflichtig ist. Die Beschwerde der Politischen Gemeinde St. Gallen wurde abgewiesen, da die Bewilligungspraxis die Gemeindeautonomie verletzte. Der Richter war Prof. Dr. U. Cavelti, die Gerichtskosten betrugen CHF 3'000, die verlorene Partei war die Politische Gemeinde St. Gallen (männlich), und die Gewinnerin war die GSoA Schweiz , vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2008/50

Kanton:SG
Fallnummer:B 2008/50
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2008/50 vom 19.08.2008 (SG)
Datum:19.08.2008
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Urteilist nicht bewilligungspflichtig. Die Aufhebung der Bewilligungspflicht verletzt
Schlagwörter: Unterschrift; Unterschriften; Bewilligung; Recht; Unterschriftensammlung; Gemeingebrauch; Person; Personen; Bewilligungspflicht; Gemeinde; Entscheid; Bundes; Sammeln; Gallen; Einzelperson; Stadt; Gemeindeautonomie; Rekurs; Erwägung; Unterschriftensammlungen; Einzelpersonen; Erwägungen; Vorinstanz; Grundlage; Interesse; Beschwerde; Verwaltungsgericht
Rechtsnorm: Art. 136 BV ;Art. 34 BV ;Art. 36 BV ;Art. 50 BV ;Art. 95 BGG ;
Referenz BGE:105 Ia 93; 109 Ia 211; 117 Ia 472; 122 I 286; 128 I 3; 131 I 91; 79 I 897; 97 I 893;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2008/50

die Gemeindeautonomie nicht (Verwaltungsgericht, B 2008/50).

Politische Rechte, Gemeindeautonomie, Art. 34, 50 und 136 Abs. 2 BV (SR 101). Das Sammeln von Unterschriften auf öffentlichem Grund durch bis zu drei einzelne Personen stellt keinen gesteigerten Gemeingebrauch dar und ist nicht bewilligungspflichtig. Die Aufhebung der Bewilligungspflicht verletzt die Gemeindeautonomie nicht (Verwaltungsgericht, B 2008/50).

Urteil vom 19. August 2008

Anwesend: Präsident Prof. Dr. U. Cavelti; Verwaltungsrichter Dr. E. Oesch-Frischkopf, lic. iur. A. Linder, Dr. B. Heer, lic. iur. A. Rufener; Gerichtsschreiber lic. iur. Th. Vögeli

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In Sachen

Politische Gemeinde St. Gallen,vertreten durch den Stadtrat, Rathaus, 9001 St. Gallen,

Beschwerdeführerin, gegen

Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen,Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,

Vorinstanz, und

GSoA Schweiz,c/o Felix Birchler, 8031 Zürich,

Beschwerdegegnerin,

vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, Oberer Graben 44, 9000 St. Gallen,

betreffend

Bewilligung zur Unterschriftensammlung

hat das Verwaltungsgericht festgestellt:

  1. ./ Am 24. November 2006 reichte die Gruppe Schweiz ohne Armee (abgekürzt GSoA) bei der Stadtpolizei St. Gallen, Gewerbepolizei, ein Gesuch um Bewilligung der Unterschriftensammlung für die von ihr lancierte "Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten" ein. Zu diesem Zweck verwendete sie das vorgedruckte Formular der Stadtpolizei "Gesuch für Standaktion Kleinanlass auf öffentlichem

    Grund" und kreuzte darauf an, dass die Unterschriftensammlung ohne Stand erfolge. Auf einem Beiblatt beantragte die GSoA die Bewilligung für 13 Sammeltage im Dezember 2006 sowie für 12 Sammeltage im Januar 2007 an den von ihr bevorzugten Standorten Bärenplatz, Fussgängerzone, Marktgasse und Spisergasse. Dabei ersuchte sie, analog der Bewilligung für die Monate September bis November 2006, um Zuweisung der jeweils besten Sammelplätze.

    Mit Verfügung vom 1. Dezember 2006 erteilte die Stadtpolizei der GSoA je sechs ganztägige Bewilligungen für das Sammeln von Unterschriften ohne Stand für die Monate Dezember 2006 und Januar 2007. Als Standorte wurden der GSoA für die sechs Tage im Dezember 2006 die Spisergasse beim Brunnen, zweimal die ganze Multergasse, die Neugasse beim Brunnen, der Neumarkt 3 und der Bärenplatz zugewiesen. Die Stadtpolizei wies unter anderem darauf hin, dass nach ihrer Bewilligungspraxis maximal sechs Aktionstage im Monat bewilligt würden, davon maximal vier Tage an einem festgelegten Standort und maximal zwei Tage frei gehend in der Fussgängerzone. Schliesslich stellte sie der GSoA eine Bewilligungsgebühr von Fr. 50.–- in Rechnung.

  2. ./ Gegen diese Verfügung erhob die GSoA durch ihren Rechtsvertreter mit Eingabe vom 18. Dezember 2006 Rekurs beim Stadtrat St. Gallen. Sie beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, eventuell deren Abänderung insoweit, als die Unterschriftensammlung an zusätzlichen Tagen zu bewilligen und von der Erhebung einer Gebühr abzusehen sei. Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, dass das Sammeln von Unterschriften durch Einzelpersonen ohne feste Einrichtung auf öffentlichen Strassen und Plätzen keiner Bewilligungspflicht unterliege. Die von der Stadtpolizei unter anderem im Zusammenhang mit den sechs Sammeltagen pro Monat sowie der Erhebung von Gebühren verfügten Einschränkungen seien verfassungswidrig.

    Mit Beschluss vom 13. Februar 2007 hiess der Stadtrat den Rekurs der GSoA gegen die Verfügung der Stadtpolizei insofern teilweise gut, als er Ziff. 12 der angefochtenen Verfügung (Gebühr von Fr. 50.–-) aufhob. Im übrigen wies er den Rekurs im Sinne der Erwägungen ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen an, dass Sammelaktionen an stark frequentierten Orten durch eine Gruppierung von Personen gesteigerten

    Gemeingebrauch darstellten und deshalb bewilligungspflichtig seien. Die Bewilligung für den gesteigerten Gemeingebrauch diene nicht nur dem Schutz der Polizeigüter, sondern auch der Koordination und Prioritätensetzung zwischen verschiedenen Nutzungen. An den stark frequentierten Orten sei die Bewilligungspflicht auch für Einzelpersonen erforderlich, um Nutzungskonflikte mit Gruppierungen, die für den entsprechenden Standort eine Bewilligung hätten, sowie eine übermässige Belegung zu verhindern. Die Bewilligungspflicht für das Sammeln von Unterschriften für Einzelpersonen sei jedoch nicht für das ganze Gebiet der Altstadt gerechtfertigt, sondern nur für jene Platz- und Gassenbereiche mit dem stärksten Nutzungs- und Nachfragedruck. Diese Gebiete müssten sowohl aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als auch der politischen Legitimation rechtssatzmässig festgelegt werden.

  3. ./ Gegen den Beschluss des Stadtrats erhob die GSoA am 8. März 2007 Rekurs beim Justiz- und Polizeidepartement (heute: Sicherheits- und Justizdepartement). Sie beantragte, der angefochtene Beschluss sei insoweit aufzuheben und abzuändern, als die Unterschriftensammlung durch Einzelpersonen für bewilligungspflichtig erklärt und die Unterschriftensammlung durch mehrere Personen an einem Ort, mit ohne Stand, für die Innenstadt St. Gallen auf sechs Sammeltage pro Monat beschränkt werde. Zur Begründung führte die GSoA im wesentlichen an, dass sich beim Unterschriftensammeln für Referenden und Initiativen hinsichtlich der Nutzung des öffentlichen Grundes besondere Verhältnisse gegenüber anderen Formen der Inanspruchnahme der öffentlichen Sachen ergäben. Beschränkungen seien nur zulässig, wenn infolge besonderer Umstände die öffentliche Ordnung bedroht beeinträchtigt würde, was bei der konkreten Unterschriftensammlung nicht der Fall sei. Staatliche Hindernisse für die Unterschriftensammlung seien verfassungswidrig, soweit sie nicht durch Grundrechte Dritter gerechtfertigt seien.

    Mit Entscheid vom 19. Februar 2008 hiess das Sicherheits- und Justizdepartement den Rekurs der GSoA im Sinne der Erwägungen gut. Zur Begründung führte es im wesentlichen an, dass das Polizeireglement keine hinreichende gesetzliche Grundlage für eine Bewilligungspflicht für das Sammeln von Unterschriften darstelle. Auf dem vorgedruckten Formular der Stadtpolizei werde nicht nach der Anzahl der unterschriftensammelnden Personen, sondern nur nach der Benutzung eines Standes

    dem Bezug von Strom gefragt. Demnach könne die Anzahl Personen im konkreten Fall kein Kriterium für die Bewilligung darstellen, weshalb das Sammeln von Unterschriften durch mehrere Einzelpersonen ohne Informationsstand bzw. Zeichnungsstelle keine obrigkeitliche Regelung erfordere und grundsätzlich - vorbehältlich entgegenstehender polizeilicher anderer überwiegender öffentlicher Interessen bzw. grundrechtlich geschützter Interessen Dritter - an geeigneten Orten überall in der verkehrsfreien Innenstadt bewilligungsfrei möglich sei. Unter diesen Umständen rechtfertige sich schliesslich auch eine zahlenmässige Beschränkung der Sammeltage nicht.

  4. ./ Mit Eingaben vom 4. März und 8. April 2008 erhob die Politische Gemeinde St. Gallen Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Begehren, der Entscheid des Sicherheits- und Justizdepartements vom 19. Februar 2008 sei aufzuheben und der Rekursentscheid des Stadtrats vom 13. Februar 2007 zu bestätigen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Mit Eingabe vom 14. April 2008 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde. Auch die GSoA beantragte mit Eingabe ihres Rechtsvertreters vom 22. Mai 2008 die Abweisung der Beschwerde.

Auf die einzelnen Vorbringen wird, soweit wesentlich, im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Darüber wird in Erwägung gezogen:

  1. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ist gegeben (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, abgekürzt VRP). Die politische Gemeinde St. Gallen ist zur Beschwerdeerhebung legitimiert. Nach Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 VRP steht das Beschwerderecht zur Wahrung öffentlicher Interessen auch der zuständigen Behörde einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu. Nach ständiger Praxis des Verwaltungsgerichts setzt die Legitimation des Gemeinwesens voraus, dass dieses den streitigen Entscheid durch Setzen eines Rechtsaktes im eigenen Aufgabenbereich erlassen und damit bestimmte öffentliche Interessen vertreten hat. Umfang und Inhalt der vom Gemeinwesen zu wahrenden öffentlichen Interessen bestimmen sich nach der durch das kantonale Recht geregelten Zuständigkeitsordnung (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St.

    Gallen, St. Gallen 2003, Rz. 450 ff.; GVP 1992 Nr. 43 mit Hinweisen; VerwGE vom 6. Dezember 2005 i.S. Pol. Gde. R., auszugsweise publiziert in GVP 2005 Nr. 1 und www.gerichte.sg.ch). Unterschriftensammlungen auf öffentlichen Plätzen berühren die Gemeindeautonomie, weshalb die Legitimation der Beschwerdeführerin gegeben ist. Im übrigen entsprechen die Beschwerdeeingabe vom 4. März 2008 sowie die Beschwerdeergänzung vom 8. April 2008 zeitlich, formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 und 2 VRP). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

  2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die GSoA im Rekursverfahren nicht den Antrag hätte stellen dürfen, der Rekursentscheid sei insoweit aufzuheben und abzuändern, als die Unterschriftensammlung durch Einzelpersonen für bewilligungspflichtig erklärt worden sei. Der Antrag der GSoA sei über das Anfechtungsobjekt hinausgegangen, da sich das Anfechtungsobjekt aufgrund des Gesuch-Formulars auf die Unterschriftensammlung durch eine Mehrzahl von Personen beschränkt habe. Ob das Sammeln von Unterschriften durch Einzelpersonen einer Bewilligungspflicht unterstellt werden dürfe, sei dagegen gar nicht Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens gewesen. Soweit ein Antrag gestellt worden sei, der sich auf das Sammeln von Unterschriften durch eine Einzelperson bezogen habe, hätte deshalb auf den Rekurs nicht eingetreten werden dürfen. Dies gelte ungeachtet der Tatsache, dass im angefochtenen Entscheid der Rekurs im Sinne der Erwägungen abgewiesen worden sei. Auch in diesem Fall seien Erwägungen nur anfechtbar, soweit sie sich auf das Dispositiv und damit auf das Streitobjekt bezögen, und nicht schon dann, wenn sie lediglich im Zusammenhang mit dem Streitobjekt angestellt worden seien.

    1. Nach Art. 24 Abs. 1 lit. b VRP enthält eine Verfügung ein Entscheid den Rechtsspruch der Behörde. Das sogenannte Dispositiv enthält in knapper Form eine Aussage, wie das Verfahren von der betreffenden Instanz erledigt worden ist. Gleichzeitig umschreibt es den Umfang des Streitgegenstands, da in der Regel nur der im Dispositiv enthaltene Text weiter anfechtbar ist in Rechtskraft erwächst. Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn im Dispositiv auf die Entscheidgründe im Sinn der Erwägungen verwiesen wird. In diesem Fall bilden das Dispositiv und die Motive

      zusammen den Inhalt der Entscheidung und bestimmen den Umfang des Streitgegenstands (vgl. Cavelti/ Vögeli, a.a.O., Rz. 1059).

    2. Die Beschwerdeführerin hiess den Rekurs der GSoA mit Beschluss vom 13. Februar 2007 teilweise gut und wies ihn im übrigen im Sinne der Erwägungen ab. In den Erwägungen führte sie unter anderem aus, dass sowohl das Sammeln von Unterschriften durch eine Einzelperson als auch das organisierte Sammeln von Unterschriften durch eine Gruppe von Personen, auch wenn kein Stand errichtet werde, an den am meisten nachgesuchten Standorten mit dem grössten Nutzungsdruck der Bewilligungspflicht unterliege. Sie ging in ihren Erwägungen somit ausdrücklich auf die Bewilligungspflicht für Unterschriftensammlungen durch Einzelpersonen ein. Entgegen ihrer eigenen Darstellung erkannte die Beschwerdeführerin durch den Verweis auf die Erwägungen im Dispositiv damit explizit, dass auch die Bewilligungspflicht für Unterschriftensammlungen durch Einzelpersonen zum Anfechtungsobjekt gehöre. Der Antrag der GSoA geht folglich nicht über das Anfechtungsobjekt hinaus, weshalb sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin als unbegründet erweist.

  3. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die von der Beschwerdeführerin verfolgte Bewilligungspraxis, wonach Unterschriftensammlungen an bestimmten, stark frequentierten Orten unabhängig von der Anzahl sammelnder Personen einer Bewilligungspflicht unterstehen, mit den Grundrechten vereinbar ist.

    1. Gemäss Art. 50 Abs. 1 der Bundesverfassung (SR 101, abgekürzt BV) ist die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet. Das Bundesgericht gesteht ihr unter dem kantonalen Recht Bestandesgarantie zu (BGE 131 I 91 ff.). Art. 50 BV sieht hingegen weder eine Bindung des Bundes an die Gemeindeautonomie noch eine bundesrechtliche Garantie des eigenen Aufgabenkreises der Gemeinden vor (R. Kägi-Diener, St. Galler Kommentar zur Schweizerischen Bundesverfassung, 2. Aufl., Zürich 2008, Art. 50 N 10). Die Gemeindeautonomie wird auf kantonaler Ebene in Art. 4 des Gemeindegesetzes (sGS 151.2, abgekürzt GG) konkretisiert. Gemäss Art. 4 Abs. 1 GG ist die Gemeinde autonom, soweit die Gesetzgebung ihre Entscheidungsfreiheit nicht einschränkt. In der Rechtsetzung hat die Gemeinde Entscheidungsfreiheit, wenn die Gesetzgebung keine

      abschliessende Regelung trifft die Gemeinde ausdrücklich zur Rechtsetzung ermächtigt ist (Art. 4 Abs. 2 GG; vgl. BGE 128 I 3, S. 8; Häfelin/Haller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. Aufl., Zürich 2005, Rz. 976). Die Gemeindeautonomie gibt der Gemeinde somit das Recht zum Erlass eigener Rechtsnormen und zur Selbstverwaltung. Dadurch erhält die Gemeinde die nötigen Instrumente, um die örtlichen Verhältnisse, mit denen sie aufgrund ihrer Nähe am besten vertraut ist, selbständig zu regeln. Die Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinde sind von grosser Bedeutung, stellen sie doch den Kernbereich der Gemeindeautonomie dar und regeln wichtige Fragen des öffentlichen Lebens (Häfelin/Müller/ Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1395). Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist die Gemeinde bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten stets an die Grundrechte gebunden (vgl. Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 272).

    2. Gemäss Art. 34 Abs. 1 BV sind die politischen Rechte gewährleistet. Sie garantieren den Anspruch auf Teilnahme am politischen Prozess und auf aktive Mitwirkung an der staatlichen Willensbildung. Auf allen Ebenen des Gemeinwesens ausdrücklich geschützt sind nach Art. 34 Abs. 2 BV die freie politische Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe (Kiener/Kälin, Grundrechte, Bern 2007, S. 26 f.). Auf Bundesebene gewähren die politischen Rechte gemäss Art. 136 Abs. 2 BV neben dem Anspruch auf Teilnahme an den Nationalratswahlen und an den Abstimmungen des Bundes auch einen solchen auf Ergreifung und Unterzeichnung von Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten. Demnach fällt das Sammeln von Unterschriften in den Schutzbereich der politischen Rechte (P. Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bern 2004, § 51 Rz. 9).

    3. Bei der Benutzung von öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch wird unter anderem zwischen dem schlichten Gemeingebrauch und dem gesteigerten Gemeingebrauch unterschieden. Die nicht immer restlos klare Abgrenzung spielt insbesondere eine Rolle für die Frage, ob eine bestimmte Nutzungsart einer Bewilligungs- Konzessionspflicht sowie einer Gebührenpflicht unterstellt werden darf. Schlichter Gemeingebrauch ist die bestimmungsgemässe und gemeinverträgliche Nutzung einer Sache, die grundsätzlich jedermann ohne Erteilung einer besonderen Erlaubnis offensteht und in der Regel unentgeltlich ist. Gesteigerter Gemeingebrauch liegt demgegenüber immer dann vor, wenn die Benutzung einer öffentlichen Sache

      entweder nicht bestimmungsgemäss nicht gemeinverträglich ist. Bestimmungsgemäss ist eine Nutzung, wenn sie ihrer Zweckbestimmung entspricht. Gemeinverträglich ist sie schliesslich, wenn sie allen anderen Benutzern in gleicher Weise ebenfalls möglich ist und diese in ihrem Gebrauch der Sache nicht behindert werden (T. Jaag, Gemeingebrauch und Sondernutzung öffentlicher Sachen, in: ZBl 1992, S. 151 ff.; J. Martin, Der gesteigerte Gemeingebrauch, Zürich 1987, S. 1 f.). Die Unterscheidung zwischen Gemeingebrauch und gesteigertem Gemeingebrauch entscheidet demnach, ob für eine bestimmte Nutzung allenfalls eine Bewilligungspflicht eingeführt werden kann.

    4. Gemäss der noch unter der Bundesverfassung von 1874 (abgekürzt aBV) ergangenen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es mit der Meinungsäusserungsfreiheit und dem Initiativrecht zu vereinbaren, dass Unterschriftensammlungen auf öffentlichen Strassen von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht werden (BGE 79 I 897). Das Bundesgericht lässt eine Bewilligungspflicht zu, wenn Druckerzeugnisse durch zahlreiche Personen verteilt, Informationsstände aufgestellt Demonstrationen abgehalten werden (BGE 105 Ia 93; 111 Ia 322 ff.). Unabhängig von der rechtlichen Qualifikation als schlichter gesteigerter Gemeingebrauch untersteht die Unterschriftensammlung auf öffentlichem Grund der Bewilligungspflicht selbst dort, wo eine gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Die Gesuche müssen rechtsgleich behandelt werden, und der Entscheid über die Bewilligung muss verhältnismässig sein und darf nicht zu einer politischen Zensurierung führen (BGE 109 Ia 211). Auf die Abgrenzung zwischen schlichtem und gesteigertem Gemeingebrauch können schliesslich auch örtliche Gegebenheiten Einfluss haben (BGE 122 I 286; 126 I 139). Müller kritisiert die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Sammeln von Unterschriften als ambivalent. So trage das Bundesgericht einerseits der besonderen Bedeutung der politischen Rechte dahingehend Rechnung, dass Personen angehalten werden dürften, um sie ohne Ausübung von Zwang zur Abgabe ihrer Unterschrift zu veranlassen. Andererseits lasse es jedoch zu, dass das Sammeln von Unterschriften generell für bewilligungspflichtig erklärt werde. Damit verkenne das Bundesgericht, dass das Sammeln von Unterschriften in besonderem Masse auf die Benützung des öffentlichen Grundes angewiesen sei und den öffentlichen Verkehr kaum stärker beeinträchtige als das Verteilen von Druckschriften (J.P. Müller, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl., Bern

      1999, S. 219). Tschannen bezeichnet die Praxis des Bundesgerichts seinerseits als inkonsequent, da sie keinen Unterschied mache, ob feste Zeichnungsstellen wie Tische und Informationsstände eingerichtet würden nicht. Das Bundesgericht erachte vielmehr als entscheidend, dass Unterschriftensammlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet seien, die öffentliche Ordnung zu gefährden (Tschannen, a.a.O., § 51 Rz. 10).

  4. Nach Darstellung der Beschwerdeführerin ist aus dem vorinstanzlichen Entscheid nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen eine Unterschriftensammlung bewilligungsfrei durchgeführt werden könne. Stelle man auf den Entscheid ab, so dürfe die anbegehrte Unterschriftensammlung ohne Beschränkung der Sammeltage und ohne Informationsstand an den am meisten nachgefragten Plätzen ohne Bewilligungspflicht durchgeführt werden. Hingegen werde die Frage ausdrücklich offen gelassen, von wie vielen Personen eine solche Unterschriftensammlung ohne Bewilligungspflicht durchgeführt werden könne. Die Vorinstanz habe diese Frage jedoch nicht offen lassen und gleichzeitig den Rekurs gutheissen können.

    1. Als erstes ist zu prüfen, ob die von der GSoA anbegehrte Unterschriftensammlung als schlichter gesteigerter Gemeingebrauch zu qualifizieren ist. Die Unterscheidung entscheidet darüber, ob die Unterschriftensammlung im konkreten Fall der Bewilligungspflicht zu unterstellen ist. Auf dem von der GSoA eingereichten Gesuchsformular wird nicht nach der Anzahl unterschriftensammelnder Personen, sondern nur nach der Benutzung eines Standes dem Bezug von Strom gefragt. Das Gesuchsformular der Stadtpolizei sieht somit eine von der Personenanzahl unabhängige, allgemeine Bewilligungspflicht für Unterschriftensammlungen vor und geht damit generell von gesteigertem Gemeingebrauch aus. Die Vorinstanz legte keine allgemeine Grenze für die Annahme des gesteigerten Gemeingebrauchs fest, verneinte indes die Bewilligungspflicht für Unterschriftensammlungen durch eine Einzelperson. Mit Verweis auf Unterschriftensammlungen unter vergleichbaren Bedingungen ging sie im konkreten Fall von der Teilnahme von zwei bis drei Einzelpersonen aus und qualifizierte die von der GSoA anbegehrte Unterschriftensammlung als nicht bewilligungspflichtigen schlichten Gemeingebrauch.

      Grundsätzlich sollen alle Tätigkeiten dem schlichten Gemeingebrauch zugeordnet werden, für die keinerlei Mobiliar wie Stände und Tische erforderlich sind, an denen keine Vielzahl von etwa zehn und mehr Personen beteiligt sind, die nicht zu grösseren Ansammlungen von Personen führen und die den öffentlichen Grund nicht wesentlich länger in Anspruch nehmen als die Tätigkeiten aller anderen Benutzer (Jaag, a.a.O., S. 154). Die Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und gesteigertem Gemeingebrauch ist somit nicht nur von einer bestimmten Anzahl der an einer Unterschriftensammlung teilnehmenden Personen abhängig, sondern muss auch anhand weiterer konkreter Umstände des Einzelfalls erfolgen. Auf diese weiteren Umstände ist im folgenden näher einzugehen.

    2. Nach Darstellung der Vorinstanz werden beim Unterschriftensammeln zwar Personen angesprochen, jedoch könne dadurch im konkreten Fall keine Überschreitung des Gemeingebrauchs vorliegen, da sich das Sammeln in der Fussgängerzone abspiele. Dort sei es auch bei einer Mehrzahl unterschriftensammelnder Personen jedem Passanten unbenommen, auszuweichen, anzuhalten, sich auf ein Gespräch einzulassen und gegebenenfalls seine Unterschrift zu leisten. Nur schon der subjektive Eindruck, es könne sich jemand allenfalls belästigt fühlen, könne kein öffentliches Interesse für eine Bewilligungspflicht begründen. Der vorinstanzlichen Argumentation ist mit Präzisierungen grundsätzlich zuzustimmen. So ist durchaus denkbar, dass es ab einer bestimmten Mehrzahl von unterschriftensammelnden Personen auf begrenztem Raum zu einer Überbeanspruchung des öffentlichen Grundes kommen kann, was zu einer Bewilligungspflicht für die Unterschriftensammlung führt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz muss im konkreten Fall deshalb die Frage geklärt werden, wie viele Personen an einer Unterschriftensammlung teilnehmen können, ohne dadurch eine Bewilligungspflicht auszulösen. Die von der Lehre für die Annahme der Bewilligungspflicht genannte Anzahl von zehn und mehr Personen für die Annahme der Bewilligungspflicht erscheint unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse an den bevorzugten Plätzen in der Spisergasse, Multergasse, Neugasse, Neumarkt 3 und Bärenplatz als zu gross. Für die Annahme einer Bewilligungspflicht ist neben den örtlichen Eigenschaften auch die Frequentierung der für Unterschriftensammlungen geeigneten Plätze durch die Bevölkerung von Bedeutung. Zwar ist grundsätzlich anzunehmen, dass eine Mehrzahl unterschriftensammelnder Personen die Passanten in

      ihrer Fortbewegungsfreiheit nicht stärker stört als eine einzige Person, sofern kein Informationsstand errichtet wird. Auch ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass sich eine Mehrzahl von Personen, die zum gleichen Thema Unterschriften sammelt, in der Regel nicht geschlossen in der Gruppe bewegt, sondern einzeln unter den Passanten. Dennoch besteht die Gefahr, dass die Passanten entgegen ihrem Willen ab einer bestimmten Anzahl unterschriftensammelnder Personen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Deshalb ist für jeden Ort gestützt auf dessen Beschaffenheit die maximale Anzahl unterschriftensammelnder Personen, die noch zu keiner Bewilligungspflicht führt, einzeln zu bestimmen. Dies soll grössere Personenansammlungen verhindern und auch anderen Personen ermöglichen, Unterschriften zu sammeln andere Tätigkeiten auszuüben. Aufgrund der Beschaffenheit der für Unterschriftensammlungen geeigneten Plätze in der Stadt

      St. Gallen erscheint es aufgrund von deren Grösse und Frequentierung nicht angebracht, bei einer Zahl von bis zu drei unterschriftensammelnden Personen gesteigerten Gemeingebrauch anzunehmen. Eine Bewilligungspflicht für bis zu drei unterschriftensammelnde Personen und ohne Mobiliar ist daher nicht gerechtfertigt. Die anbegehrte Unterschriftensammlung der GSoA ist deshalb als nicht bewilligungspflichtiger schlichter Gemeingebrauch zu qualifizieren.

  5. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass Unterschriftensammlungen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch ohne besondere gesetzliche Grundlage von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht sowie räumlich und zeitlich beschränkt werden könnten, selbst wenn für die Unterschriftensammlung kein Stand errichtet werde. Es bestehe kein Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Obwohl vorliegend gar nicht erforderlich, sei eine gesetzliche Grundlage im kantonalen und kommunalen Recht dennoch vorhanden. So sei eine solche im kommunalen Recht im Polizeireglement (sRS 412.11, abgekürzt PR) zu finden.

    1. Gemäss Art. 21 Abs. 1 des Strassengesetzes (sGS 732.1, abgekürzt StrG) bedarf der gesteigerte Gemeingebrauch unter anderem für Veranstaltungen (lit. a) sowie für das vorübergehende Aufstellen von Verkaufs- und Informationsständen (lit. b) einer Bewilligung. Gesteigerter Gemeingebrauch im Sinne des StrG liegt vor, wenn die Benutzung der Strasse nicht mehr gemeinverträglich ist die Art der Benutzung über die Zweckbestimmung hinausgeht. Zum gesteigerten Gemeingebrauch gehören

      insbesondere auch Demonstrationsversammlungen sowie das Aufstellen von Informationsständen zu politischen Zwecken (H.-P. Vogt, in: Kurzkommentar zum st. gallischen Strassengesetz vom 12. Juni 1988, St. Gallen 1989, Art. 21 N 1; vgl. Martin,

      a.a.O., S. 114).

    2. Die von der Beschwerdeführerin zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 97 I 893, 105 Ia 93) erging noch unter der aBV. Die Beschwerdeführerin bringt grundsätzlich zu Recht vor, dass das Bundesgericht unter dem Geltungsbereich der aBV keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Einschränkung von Grundrechten verlangte. Vielmehr stellte die Berufung auf die öffentliche Ordnung den hauptsächlichen Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Grundrechte dar (J.-

      F. Aubert, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Band II, Basel 1995, Rz. 1758; Martin, a.a.O., S. 54). Die BV verlangt demgegenüber, dass die Beschränkung eines Freiheitsrechts grundsätzlich in einem Rechtssatz und damit in einer generell- abstrakten Norm vorgesehen sein muss. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Rechtssatz genügend bestimmt und so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem dem Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 117 Ia 472, S. 480). Durch dieses Erfordernis werden sowohl die Rechtssicherheit und damit verbunden die Voraussehbarkeit als auch die Rechtsgleichheit gewährleistet (Häfelin/

      Haller, a.a.O., Rz. 308 f.). Im konkreten Fall ist auf die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Annahme von gesteigertem Gemeingebrauch jedoch nicht näher einzugehen. Schon unter dem Geltungsbereich der aBV bestand mit Art. 21 StrG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Bewilligungspflicht von gesteigertem Gemeingebrauch auf öffentlichen Strassen und Plätzen, obwohl eine solche nach damaliger bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht Voraussetzung war. Da es sich vorliegendenfalls - wie dargelegt - nicht um gesteigerten Gemeingebrauch handelt, ist eine eingehende Erörterung dieser Frage ohne praktische Bedeutung. Auch ist auf das von der Beschwerdeführerin zitierte kommunale PR nicht näher einzugehen, da mit dem kantonalen StrG bereits ein höherrangiges formelles Gesetz und damit eine für die Annahme von gesteigertem Gemeingebrauch ausreichende gesetzliche Grundlage vorhanden ist.

  6. Nach Darstellung der Beschwerdeführerin ist es unerfindlich, inwiefern die Bewilligungspraxis keinem genügenden öffentlichen Interesse entsprechen und sie überdies unverhältnismässig sein sollte. Durch den vorinstanzlichen Entscheid sei ihre Gemeindeautonomie verletzt worden, da zu Unrecht die Verfassungswidrigkeit der von ihr getroffenen Regelung angenommen worden sei.

    1. Gemäss Art. 36 Abs. 1 BV bedarf die Einschränkung eines Grundrechts einer gesetzlichen Grundlage, eines öffentlichen Interesses, der Verhältnismässigkeit sowie der Respektierung des Kerngehalts. Diese Voraussetzungen wurden von Rechtsprechung und Lehre entwickelt und sind kumulativ zu erfüllen (Häfelin/Haller, a.a.O., Rz. 302; vgl. für den Geltungsbereich der aBV Martin, a.a.O., S. 54 ff.). Aufgrund seiner primären Fokussierung auf die Freiheitsrechte findet Art. 36 BV grundsätzlich keine Anwendung auf die politischen Rechte. Jedoch schliesst diese Nichtanwendbarkeit nicht aus, dass in den spezifischen Prüfprogrammen mitunter doch wieder einzelne Prüfpunkte aus Art. 36 BV durchscheinen (Tschannen, a.a.O., § 7 Rz. 98). Angesichts der Tragweite der politischen Rechte rechtfertigt es sich deshalb, die in Art. 36 BV genannten Voraussetzungen analog auch auf die Prüfung der Rechtmässigkeit der Bewilligungspflicht von gesteigertem Gemeingebrauch anzuwenden.

    2. Die von der GSoA anbegehrte Unterschriftensammlung wurde von der Vorinstanz zu Recht als schlichter Gemeingebrauch qualifiziert. Da dieser nicht bewilligungspflichtig ist, erübrigt sich die Prüfung der Voraussetzungen zur Annahme einer Bewilligungspflicht für die besagte Unterschriftensammlung. Deshalb ist auch nicht näher auf die Frage einzugehen, ob die Bewilligungspraxis der Beschwerdeführerin einem öffentlichen Interesse entspreche und überdies verhältnismässig sei.

    3. Als Gemeinwesen ist die Beschwerdeführerin durch ihr Handeln stets den Grundrechten und damit auch den politischen Rechten der unterschriftensammelnden Personen gemäss Art. 34 BV verpflichtet (Erw. 3.1.). Die Beschwerdeführerin überschritt mit ihrer Bewilligungspraxis die ihr durch die Gemeindeautonomie zugestandenen Rechtsetzungskompetenzen, indem sie die Unterschriftensammlung durch einzelne Personen zu gesteigertem Gemeingebrauch erklärte und diese der

      Bewilligungspflicht unterstellte. Unter diesen Umständen erweist sich die Berufung der Beschwerdeführerin auf die Gemeindeautonomie gemäss Art. 50 BV als unbegründet.

  7. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Unterschriftensammlung durch eine Zahl von bis zu drei Einzelpersonen und ohne das Aufstellen von Ständen und dergleichen schlichten Gemeingebrauch darstellt und nicht bewilligungspflichtig ist. Daher verletzt der vorinstanzliche Entscheid die Gemeindeautonomie der Beschwerdeführerin nicht, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

  8. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Eine Entscheidgebühr von Fr. 3'000.–- ist angemessen (Ziff. 382 des Gerichtskostentarifs, sGS 942.12). Auf die Erhebung ist zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP).

Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das Beschwerdeverfahren ausseramtlich zu entschädigen (Art. 98bis VRP). Ihr Vertreter hat keine Honorarnote eingereicht, weshalb das Honorar nach Ermessen festzusetzen ist (Art. 6 der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten, sGS 963.75, abgekürzt HonO). Eine Entschädigung von Fr. 2'000.–- zuzügl. MWSt ist angemessen (Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO in Verbindung mit Art. 19 HonO).

Demnach hat das Verwaltungsgericht

zu Recht erkannt:

  1. ./ Die Beschwerde wird im Sinn der Erwägungen abgewiesen.

  2. ./ Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 3'000.–- werden der

    Beschwerdeführerin auferlegt; auf die Erhebung wird verzichtet.

  3. ./ Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das Beschwerdeverfahren mit Fr. 2'000.–- zuzügl. MWSt ausseramtlich zu entschädigen.

V. R. W.

Der Präsident: Der

Gerichtsschreiber:

Versand dieses Entscheides an:

  • die Beschwerdeführerin

  • die Vorinstanz

  • die Beschwerdegegnerin (durch

Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, 9000 St. Gallen)

am:

Rechtsmittelbelehrung:

Sofern eine Rechtsverletzung nach Art. 95 ff. BGG geltend gemacht wird, kann gegen diesen Entscheid gestützt auf Art. 82 lit. a BGG innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde erhoben werden.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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